Berlin

Koll. Pech

Der Sachunterricht in Berlin steht vor einem grundlegenden Wandlungsprozess.

Schulfach

Mit dem Schuljahr 2015/2016 werden in Berlin und Brandenburg in der Grundschule und der Sekundarstufe neue Lehrpläne eingeführt, die ab dem Schuljahr 2016/2017 verbindlich sein sollen. Bis Ende März 2015 befinden sich die Entwürfe in der Anhörungsphase und sind auf den Seiten der Berliner Senatsverwaltung einsehbar und können auch kommentiert werden.

Der Entwurf des neuen Lehrplans Sachunterricht unterscheidet sich maßgeblich von seinem Vorgänger und strukturell auch von anderen Lehrplänen in der Bundesrepublik. In ihm sind Kompetenzfelder in jeweils drei Niveaustufen beschrieben. Dabei handelt es sich ausschließlich um prozedurale Kompetenzen.

Als Inhalte werden nur acht Gegenstände/Phänomene vorgegeben. Diese sollen jeweils umfassend, in der Regel über ein gesamtes Schulhalbjahr erschlossen werden. Verbindlich ist dabei einzig die Bearbeitung jeweils auf den Gegenstand/das Phänomen bezogener Fragen (bspw. „Wie kam und kommt das Rad ins Rollen?“). In der Erschließung jedes Gegenstandes/Phänomens ist zudem vorgegeben, dass im Laufe der Erarbeitung über das Halbjahr – mit unterschiedlicher Gewichtung – alle Perspektiven des Perspektivrahmens Sachunterricht aufgegriffen werden sollen. Leitlinie dieses Ansatzes ist, die allzu oft additive Zusammenstellung sachunterrichtsdidaktisch relevanter Themen zugunsten einer kontinuierlichen Auseinandersetzung aufzuheben.

Geplant ist zudem analog zu dem in Berlin bereits seit 2004 existierenden Sammelfach Naturwissenschaften in Klasse 5/6 das Fach Gesellschaftswissenschaften einzurichten, das aus den bisher auch bereits in den letzten beiden Grundschuljahren fachbezogen unterrichteten Fächern Geographie, Geschichte und Politik gebildet wird. Auch für diese beiden Fächer liegen Entwurfsfassungen vor. Detlef Pech, 18. Februar 2015

Studium

Zum Wintersemester 2015/2016 wird die Studienstruktur geändert und dies sehr weitgehend. Aus einem bisherigen Studien des Faches Grundschulpädagogik mit drei Lernbereichen – Deutsch, Mathematik sowie Sachunterricht oder Musisch-ästhetische Erziehung – und einem Zweitfach, das für die Sekundarstufe qualifiziert, wird ein reines Grundschullehramtsstudium mit drei Fächern. Bei den drei Fächern sind Deutsch und Mathematik verpflichtend. Als drittes Fach muss ein weiteres Fach der Grundschule (Englisch, Französisch, Kunst, Musik, Sachunterricht oder Sport) gewählt werden. Eines der drei Fächer wird vertieft studiert. Eine Besonderheit existiert bei Wahl einer sonderpädagogischen Qualifikation. In diesem Fall kann eines der drei Fächer ersetzt werden durch das Studium der Sonderpädagogik mit in der Regel zwei Förderschwerpunkten. Alle drei Fächer enthalten grundschulbezogene, fachwissenschaftliche Lehrveranstaltungen. Die Stärkung der Fachlichkeit im Studium als ein zentrales Ziel der Reform wird so eingelöst. Neben dieser Strukturänderung wird zum Wintersemester 2015/2016 vom „kleinen“, einjährigen auf einen „großen“, zweijährigen Master umgestellt, welcher auch ein Praxissemester beinhaltet. Damit wird die Studiendauer für alle Lehramtstypen erstmalig gleich sein.

Bezüglich des Sachunterrichts weist die neue Struktur noch eine Besonderheit auf. Der Masterabschluss muss in Zukunft jeweils einen Schwerpunkt aufweisen, also „Sachunterricht mit dem Schwerpunkt Naturwissenschaften“ bzw. „Sachunterricht mit dem Schwerpunkt Gesellschaftswissenschaften“. Dies korrespondiert mit der Berliner Schulstruktur, da die sechsjährige Grundschule das Fach Sachunterricht in den Klassen 1-4 beinhaltet und in Klasse 5/6 dann bereits jetzt das Fach Naturwissenschaften und geplant für das kommenden Schuljahr auch das Fach Gesellschaftswissenschaften. Die Schwerpunktbildung wird an Freier Universität und Humboldt-Universität unterschiedlich umgesetzt. Während an der FU Studierende bereits im Bachelor den entsprechenden Schwerpunkt mit den damit verbundenen fachwissenschaftlichen Veranstaltungen wählen müssen, sieht die HU im Bachelor ein Sachunterrichtsstudium vor, in dem fachwissenschaftliche Veranstaltungen sowohl aus den Naturwissenschaften als auch aus den Gesellschaftswissenschaften gewählt werden müssen und erst im Master eine Schwerpunktbildung erfolgt.

Die Studienreform kann aus Sachunterrichtsperspektive ambivalent betrachtet werden. Zum einen geht der Status eines „quasi“ Pflichtlernbereichs verloren – ca. 90% der Grundschulpädagogikstudierenden wählen den Lernbereich Sachunterricht. Zum anderen wird Sachunterricht erstmals in Berlin ein eigenes Studienfach sein in das immatrikuliert wird, was bezüglich der Sichtbarkeit der Disziplin und den Folgen bspw. im Kontext des wissenschaftlichen Nachwuchses als auch der fachbezogenen Qualifikation im Studium überaus bedeutsam ist.